Hamas-Versteher gewähren tiefen Einblick in Parallelwelten der Linken (2024)

Im humanitären Bereich fliessen reichlich Staatsgelder und kursieren krude Weltbilder. Ein Bericht des Bundesrats liest sich nach den schrecklichen Ereignissen in Israel nun plötzlich anders.

David Biner, Bern

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Hamas-Versteher gewähren tiefen Einblick in Parallelwelten der Linken (1)

Der Bundesrat hat vorgesehen, 1,5 Milliarden Franken der Ukraine zu geben. Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit (IZA) und für die Jahre 2025–2028. Für Fabian Molina ist das viel zu wenig.

Eigentlich, so die Forderung des SP-Nationalrats, könnte die Schweiz 4,8 Milliarden Franken für das kriegsversehrte Land lockermachen. Die ausserordentliche Ausgabe sei schliesslich auch im schweizerischen Eigeninteresse, begründet Molina eine entsprechende Motion.

Diese wäre für die vergangene Herbstsession traktandiert gewesen, wurde aber von Philipp Matthias Bregy abgeräumt. Man müsse zuerst prüfen, ob der Staat die Steuergelder überhaupt ausgeben dürfe, so der Einwand des Mitte-Fraktionschefs. Seine Partei sowie die FDP und die SVP folgten ihm.

Die Behandlung von Molinas Motion wurde verschoben, dieser tobte. Das Manöver sei an «Heuchelei» nicht zu überbieten. Molina bezeichnete Bregy und auch den Mitte-Präsidenten Gerhard Pfister im «Tages-Anzeiger» als «Maulhelden».

Mächtig und dreist

Weniger ausfallend wird Molina, wenn es um die palästinensische Terrororganisation Hamas geht. Deren grausame Attacken auf israelische Zivilisten, darunter auf friedlich feiernde Festivalbesucher, kommentierte der SP-Aussenpolitiker in einer ersten Reaktion (und stellvertretend für seine Partei) lediglich als «Gewalteskalation».

Keine expliziten Kondolenzbekundungen seitens der SP für Israel – von Forderungen nach humanitärer Hilfe für den permanent bedrohten Staat gar nicht zu sprechen. Molina ist im Parlament Mitglied der zehnköpfigen Freundschaftsgruppe Schweiz-Palästina, zusammen mit sechs weiteren SP-Politikern, dazu zwei Grünen und einem GLP-Nationalrat.

Solche und ähnliche Doppelstandards der Linken sind weit verbreitet in Bundesbern. Hamas-Versteher wie Molina gibt es auch im diplomatischen Korps des Aussendepartements (EDA) und in anderen Departementen. Im Bereich der humanitären Hilfe und der Entwicklungsarbeit bleiben die Linken oft unter sich. Sie bewegen sich in Parallelwelten zwischen Parlament, Verwaltung und Nichtregierungsorganisationen (NGO), allesamt im hohen Mass oder ganz vom Staat abhängig.

Am Mittwoch hat der Bundesrat einen Bericht veröffentlicht, der interessante Einblicke gibt in diese linken Echokammern. Er geht zurück auf ein Postulat von Elisabeth Schneider-Schneiter und liefert einen Überblick über die Zusammenarbeit zwischen Bund und NGO für die Jahre 2017–2020.

Der Vorstoss der Mitte-Nationalrätin war einer von knapp zwei Dutzend rund um die Rolle von NGO. Sie wurden alle im Rahmen der Abstimmung über die hart umkämpfte Konzernverantwortungsinitiative (KVI) vom November 2020 eingereicht. Diese scheiterte nur dank dem Ständemehr. Viele bürgerliche Politiker haben erst dannzumal realisiert, wie mächtig die linke NGO-Lobby inzwischen geworden ist – und wie dreist sie sein kann.

Statt in die Entwicklungshilfe hat etwa die NGO Solidar Suisse Steuergelder in die KVI-Kampagne gesteckt. Im Vorstand der NGO sitzt heute neben Reto Wyss, dem Zentralsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, auch SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. Oder Mario Carera, in den nuller Jahren Leiter des Schweizer Kooperationsbüros für Palästina in Jerusalem. Die Hamas habe sich auch immer «caritativ» engagiert, sagte Carera am Mittwoch im «Tages-Anzeiger». «Die Hamas nur als Terrororganisation zu sehen, ist aber zu einfach.»

Präsidiert wird Solidar Suisse von Carlo Sommaruga. Der Genfer SP-Ständerat ist nebenbei auch Präsident der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Palästina. Auch wenn es mit 24000 Franken nur ein kleiner Betrag war, den Solidar Suisse für die KVI-Kampagne zweckentfremdete; und auch wenn sie diesen dem EDA wieder zurückzahlte – der Bericht des Bundesrats legt diese parastaatliche Hilfsindustrie offen.

Einkommen und Spesen für Sommarugas Ständeratsmandat sind Steuergelder. Sein bezahltes Mandat als Präsident von Solidar Suisse bekommt Sommaruga (zumindest indirekt) auch von den Steuerzahlern, in den Jahren 2017–2020 hat Solidar Suisse 15 Millionen Franken vom EDA erhalten. Ein Teil dieser Steuergelder – wenn auch ein kleiner – floss wiederum auf direktem Weg in die Kampagne für die Konzernverantwortungsinitiative, Sommarugas Vater sass hier im Initiativkomitee. Damit schliessen sich mehrere Kreise gleichzeitig.

Solidar Suisse ist ein speziell krasser Fall. Aber der vom Bundesrat publizierte Bericht zeigt das Muster deutlich auf. Auch das Hilfswerk Swissaid ist gut dotiert. Neben drei (eher) bürgerlichen Politikern sitzen vier rot-grüne Parlamentarier im Stiftungsrat, unter anderem: Carlo Sommaruga. Im Stiftungsausschuss dabei sind Fabian Molina (bezahltes Mandat) und seine Parteikollegin aus St.Gallen, Claudia Friedl.

Die SP-Nationalrätin hat 2014 in einer Demo «für Frieden im Nahen Osten und Gerechtigkeit für die Palästinenserinnen und Palästinenser» laut Redetext die damaligen Bombardierungen beider Seiten kritisiert. Aber natürlich war auch damals schon klar, wer sich aus Friedls Sicht ändern muss: «Die westlichen Länder müssen den internationalen Druck auf Israel erhöhen, damit Israel die Blockade des Gazastreifens aufhebt.»

FDP will intervenieren

Mit gut 25 Millionen Franken in den Jahren 2017–2020 gehört Swissaid zu den grössten Zahlungsempfängern unter den Schweizer NGO. Das Duo Molina-Friedl ist mitverantwortlich für die strategische Leitung. Gleichzeitig vertreten beide die SP auch in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK). Als langjähriges Mitglied der Kommission stelle er fest, dass die Anträge seitens der linken Delegation durch NGO vorbereitet oder zumindest angetrieben werden, sagt Hans-Peter Portmann.

Dem FDP-Nationalrat geht der Bericht des Bundesrat zu wenig weit. Portmann will sicherstellen, dass NGO, die staatliche Mittel erhalten, diese nicht für politische Kampagnen verwenden dürfen. Die Hilfswerke sollen für politische Kampagnen dafür deklarierte Spendenaufrufe machen. Einnahmen und Ausgaben der NGO für politische Kampagnen sollen zudem einer gesonderten Abrechnung unterliegen, einschliesslich für diesen Zweck anfallender Personal- und Infrastrukturkosten. Damit will die FDP die linke NGO-Industrie entflechten. Denn auch wenn sie sich an die Vorgaben halten und die Geldflüsse korrekt sind, viele hiesige Nichtregierungsorganisationen sind längst die verlängerten Arme der Linksparteien – und manchmal selbst des Bundesrats. Die Hilfswerke spielten etwa bei der Abstimmung über das Klimagesetz eine mobilisierende Rolle.

Elisabeth Schneider-Schneiter zeigt sich mit dem Bericht des Bundesrats einigermassen zufrieden. Positiv überrascht sei sie vom Signal der Landesregierung, das Zertifizierungsverfahren künftig öffnen zu wollen. Bis dato entschied ausschliesslich die Zewo, welches Hilfswerk Zugang zu den Bundesgeldern erhalten kann. Im ehrenamtlichen Stiftungsrat der Zertifizierungsstelle sitzen wiederum Mitglieder von anderen NGO, die ebenfalls am Tropf des Staats hängen. «Die Stiftungsräte der Zewo treten in den Ausstand, falls Geschäfte behandelt werden, welche ihre eigenen Interessen oder die Interessen von ihnen nahestehenden natürlichen oder juristischen Personen betreffen», heisst es. Immerhin.

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